(geschrieben 2013, ergänzt 2023)
Unser Haushalt war tierlieb. – Hund, Katze, aus dem Nest gefallene Amseln, Igel... Meine Mutter holte nach, was ihr in ihrer Kindheit verwehrt wurde. Damals konnte sie nur die Hofhühner im
Puppenwagen fahren, aber meine Mutter träumte von Hunden und Eseln...
So kam wohl dieser Gedanke an die Esel auch zu uns Kindern, und wir, meine Schwester und ich, noch nicht 8 und 6 Jahre alt, tönten im Haus herum: Wir wollen Esel!
Und da kam die Stimme aus dem Off! Vom Sofa her tönte plötzlich mein Vater (auf gut bayrisch): „Wenn, dann scho glei Rooß ...“ (Wenn, dann schon gleich Pferde …).
Wie wäre mein Leben wohl verlaufen, wenn wir nun nicht bald darauf im kleinen Islandpferdegestüt bei München gestanden hätten und nur noch unsere Wahl treffen mussten?!
Der Ausspruch meines Vaters war also ernst gemeint gewesen. Und er hatte Folgen. Sein Bruder hatte eine kleine Landwirtschaft, mein Vater ein Stück Grund und Boden für die eigene Pferdehaltung.
Über Pferdeerfahrung wurde nicht weiter nachgedacht, denn schließlich hatte mein Vater die Bauernpferde früher ja auch mal auf die Weide geritten...
Daß es Islandpferde werden würden, war Zufall: Meine Mutter wollte keine im Stall eingesperrten Pferde, was 1972 eigentlich das Übliche war. Aber nahe am Dorf, bei der Mühle, hatte sie im Winter
ein paar Ponys gesehen mit langem Fell und im Freien. So sollte es sein. Der nun kontaktierte Zuchtverband identifizierte diese Ponys anhand der Beschreibung meiner Mutter als Islandpferde und
nennt Adressen von Züchtern in der Gegend. Wichtig noch die Vorgabe meines Vaters: „Wie Haflinger müssen sie aussehen!“
Bei Kathrin Berzau nähe München landen wir und werden fündig. Es sind nur Jungpferde verkäuflich, leider nicht der ältere, von uns Kindern gleich liebgewonnene mausgraue Mosi.
Meine Erinnerung ist, dass wir vor dem Paddock mit den Pferden stehen und dabei wie am Obststand ausgewählt wird: Fingerzeig auf ein Pferd – „Wir nehmen den“, Fingerzeig auf ein anderes Pferd
„und wir nehmen den“.
Die zwei Auserwählten sind ein Zweijähriger namens Helgi und eine Jährlingsstute namens Kvika. Genau das richtige für ungeübte und unerfahrene Leute wie uns …! Sie werden unsere ersten
Pferde und unsere Versuchskaninchen.
Aber wir waren begeistert. Und wir haben in der Folge mit unseren beiden Pferden viel erlebt. Gemäß dem Motto: Erfahrung ist alles, was man überlebt hat …!
Und plötzlich, zwei Jahre später wieder, die Stimme meines Vaters vom Sofa: Nun haben die zwei Kinder jedes ein Pferd, nun bräuchten wir noch ein drittes für die Mutter.
So kommt Hjalli zu uns. Wieder von Kathrin Berzau, zweijährig, haflingerfarben. Und er begleitet mich bis heute (2013), schon 39 Jahre lang, nun im 41sten Lebensjahr. Viel haben wir miteinander
erlebt!
Kathrin wusste ja nun schon, wer wir waren und wie es um unser Können stand, selbst wenn meine Mutter in der Zwischenzeit viel Pferdestudium betrieben hatte. Dabei gab es zu dieser Zeit noch
nicht viel zu studieren. Kein Internet, nur eine „normale“ Reitschule im weiteren Umfeld, aber die PonyPost von Ursula Bruns, und Linda Tellington. Reiten wollten wir übrigens schon noch richtig
lernen.
So kam damals also Hjalli dazu, als dritter im Bunde. Drei Jahre später komplettierte Skór, der kleine schwarze Isländer meiner Tante, die Gruppe.
1974 begannen wir dann alle, außer meinem Vater, mit dem Reiten, wenn auch noch nicht auf den eigenen Pferden. Die kamen ja erst ab dem nächsten Jahr mit jeweils 5 Jahren in Ausbildung. Wir
begannen also Unterricht zu nehmen. Auf Isländern natürlich, war ja logisch, wenn man selber welche hat …
Zunächst eine Woche, mit den Islandpferden, die wir im nahen Österreich am Heiterwanger See ausfindig gemacht hatten: Blakkur, Jarpur, Snaefari, Stjarni und Háfeti. Ab dann wöchentlich dort
„Unterricht“. Das hieß, wir ritten her hinter Herrn Moosbrugger, einmal um den Heiterwanger See, und schauten uns so gut wie möglich ab, wie man z.B. leichttrabte. Die Pferde waren zum Glück
freundlich und verziehen unsere vielen Fehler.
Den „Freestyle“ dieses Ansatzes habe ich, trotz Abzeichen, Trainerlizenzen und großem Interesse an der Reitkunst, im Kern wohl nie mehr ganz verloren.
Mit unseren eigenen Pferden zogen nach einigen Jahren die Veränderungen ein. Meine Eltern trennten sich. Wir zogen weg und mussten den eigenen Stall aufgeben. Die Pferde nahmen wir mit. Aber
meine Schwester, meine Mutter, meine Tante, - alle hörten in den nächsten Jahren mit den Pferden auf.
Helgi starb leider schon mit 14 Jahren wegen Hufrehe. Damals wussten wir noch nichts über alternative Heilmethoden und die Fütterung von Mineralien, wie Magnesium, die meinen Pferden später so
viel helfen sollten.
Kvika wurde das Pferd meiner Schulfreundin, deren Islandstute an einer Kolik gestorben war. Mit Kvika und Hjalli machten wir beide, gerade 16 und 17jährig, einen abenteuerlichen Wanderritt um den
Starnberger See.
Denn Hjalli und ich blieben dabei!
Er war und blieb der harte Kern, mein Begleiter für lange lange Jahre, und der Grundstock meiner heutigen Pferdegemeinschaft (d.h. 2013):
• Der irische Isländer Orri from Dáreág Dair: Vor 22 Jahren begegnete er mir als 2wöchiges Fohlen auf der Farm meiner Freundin Anne und wird ein großer Lehrmeister...
• Kempa vom Waldhof aus der Eiffel: Sie sollte mein Turnierpferd sein. Aber Kempa heißt auf Isländisch Kämpferin/Heldin, und sie steht in der Folge wirklich ein für die gute
Sache! Sie lehrt mich ohne Wenn und Aber das Reiten in Verbindung und Balance mit dem Pferd, und verwendet Jahre dazu, bis ich endlich begreife. Schließlich war ich zu der Zeit sicher, schon
alles zu wissen und zu können, haha! Kempa verifizierte alles, was „Reiten aus der Körpermitte“ und jegliche Body-Mind-Kommunikation ausmacht. Sie gab mir unbeirrbar den Start zu meinem
Verständnis von Balance, Biomechanik und der empathischen Arbeit per Gefühls- und Bewegungsansteckung. Danke Kempa!
• Stefnir frá Árbakka (genannt Stebbi): Wie begegnet man einem Herzenspferd? Vor allem, wenn man gar kein weiteres Pferd sucht oder braucht ...? Einem Pferd, das irgendwo in
Reykjavik in einer Box lebt…?!
Über ganz eigenwillige Wege haben Stebbi und ich uns 2011 getroffen. Oder vielmehr gefunden?!
Stebbi war extrem. Extrem gewaltig im Rennen und seiner Ausdauer darin, extrem schief, extrem groß für einen Isländer, extrem angespannt und überspannt, extrem schreckhaft, und durchaus auch
etwas jähzornig. Bislang nicht vermittelbar und nach dem Einreiten (eher Einbrechen) nur sehr knapp dem Gegessen-werden entkommen. Aber mit einer unglaublichen, umwerfenden inneren Größe und
Präsenz,- wenn er nicht ganz außer sich war.
Wie sehr hat er sich mittlerweile zu einem aufgeschlossenen und mitdenkenden, zugewandten Pferd gewandelt!
Stebbi und ich sind bis heute (2023) ein ganz enges Team.
Er erntet jetzt die Früchte der Arbeit seiner Kollegen. Vor allem mit ihm erforsche und erarbeite ich nun die endlosen Bereiche der Balance- und Verständigungskunst.