Spuddy

– von Bewegungsunlust zu Motivation:

Ein Fall für empathische Kommunikation und physische Federung

 

Ein wichtiges Wort zuvor:
Wir müssen unbedingt erkennen, was der Grund für die Weigerung eines Pferdes ist, sich (motiviert und gelassen) zu bewegen! Denn diese kommt immer aus einem triftigen Grund des Pferdes. Sehr sehr oft ist dies mehr oder weniger starkes Unwohlsein oder nicht-Verstehen: Drücken von Sattel oder sonstiger Ausrüstung, bewegungsbehindernde Hufstellung, unklare Kommunikation durch ReiterIn oder BodenpartnerIn, Schmerzen egal wo, Verspannungen, Angst oder Sorge des Pferdes, und und und.
Ich möchte mit Spuddys Geschichte nicht dazu verleiten, ein Pferd, koste es was es wolle, in Bewegung zu setzen! Seine Geschichte illustriert nur die Wirkung des Aufs und Abs in der Körperbewegung von Pferden (und Menschen).

 

 

Ich bin in Irland. Diesmal nicht zum Reitkurs geben, sondern weil ich am Reiki II Kurs teilnehmen möchte. Dazu fahre ich mit meiner Freundin Anne von deren Pferdehof zu ihrer in der Nähe wohnenden Freundin Ruth, die uns ins fortgeschrittene Reiki einweisen wird.
Ruth ist wohl etwas über 60 Jahre. Eine herzliche, agile Frau, der man die Arbeit draußen an den Händen und im Gesicht ansieht. Sie hat in Ihrem Leben viel mit Pferden gearbeitet: Polopferde betreut und geritten, Rennpferde geritten, usw. Die Wachheit und der Spaß an diesen Erlebnissen steht ihr beim Erzählen ins Gesicht geschrieben. Das kann ich gut nachvollziehen, denn auch mich haben etliche Gelegenheiten zum Vielseitigkeits- und Rennreiten mit Vollblütern begeistert.

Nach der Beschäftigung mit Reiki besuchen wir ihre zwei Pferde, die sie auf ihrem Hof beherbergt: ein weißes Shetlandpony mit feurigen schwarzen Augen, und einen Wallach – wohl Irish Draught-Kreuzung, ein kompakter etwa 150 großer Apfelschimmel namens Spuddy. Ein Findelkind, abgeschoben aufgrund der irischen Wirtschafts-Regression. Ein sehr nettes freundliches Pferd, aber ...

… nie in ihrem Reiterleben hatte Ruth ein Pferd wie dieses: Ein Pferd, das nicht vorwärtsgeht. Nicht zu bewegen. Keine Chance. Bei keinem Reiter ist Spuddy auf dem Reitplatz zu mehr als zähem Trab zu bewegen, geschweige denn zu Galopp. Gott bewahre! Im Gelände geht’s ein bisschen besser. Aber die Reitkunst versagt. -  Man beißt sich die Zähne aus.
So ist das also.
Ein Jahr später bin ich wieder hier, zu Besuch, und Spuddy interessiert mich. Wie ging´s weiter? Geht er?! ...

 

 
Nein, tatsächlich immer noch nicht. An Spuddys Motivationsthema hat sich kaum etwas geändert. Und so interessiert sich Ruth für meinen Lösungsansatz. Ich darf mit ihm arbeiten und ihn reiten.
Und es stellt sich heraus, daß Spuddy durchaus zu motivieren ist. Denn schon nach einer kurzen Weile traben und galoppieren wir über den Reitplatz.

Wie ging denn das nun?!

 

 
Spuddy hatte nicht so sehr ein Motivationsthema, als vielmehr ein Anleitungsthema.

Hier hatte ich den absoluten Vorteil, daß ich schon mit mehreren solchen bewegungsfernen Pferden gearbeitet hatte. Mit ihnen hatte ich immer wieder erfahren können, daß die eigene innere Freude ein Schlüssel zu Bewegung war:
 
Diejenigen Pferde, die sich nicht vorwärtsschieben, vorwärtsdrücken, vorwärtstreiben lassen, werden bei immer mehr (linearem) Druck immer noch fester, unbeweglicher und vermeintlich „störrischer“. Als Reiter wird man dabei selbst immer fester, zäher, unleidiger.
Per Gefühlsansteckung setzt sich diese eigene Festigkeit und Unbeweglichkeit der Muskeln (und Gedanken) wiederum zum Pferd hin fort. Ein sich immer enger zuziehender Teufelskreis. Und den gilt es aufzulösen.

Das Gegenstück zur Festigkeit ist nun z.B. innere Freude. In der eigenen inneren Freude ist man motiviert, und vor allem beweglich. Die innere Beweglichkeit, die man spürt, ist dabei ganz unabhängig vom Pferd.
In diesem Zustand der eigenen Beweglichkeit motiviert man nun das Pferd sich zu bewegen. „Komm, mach mit! 😊“ Die Herausforderung dabei ist, den inneren Freu-Zustand zu erhalten, selbst wenn das Pferd nicht sofort darauf einsteigt.
In diesem (freudigen) Sinne fordert man das Pferd auf verschiedenste Weise auf, sich zu bewegen. Dabei wird schon jede kleinste Bewegung gleich begeistert lobend quittiert. Und zunehmend steigt das Pferd in die Beweglichkeit mit ein.

Das hatte so gewirkt bei den zähen unmotivierten Pferden vor Spuddy,- und nun eben auch bei ihm. Ich konnte ihn zu Bewegungsfreude motivieren. Ruth und der Reitplatzbesitzer waren erstaunt über das muntere Pferd.
Ich hatte Spuddy „angesteckt“.

Aber weil Ruth vor ihm nur selbst-motivierte Rennpferde geritten hatte, die sie in ihrer Motivation zu laufen einfach mitgenommen hatten, mußte ja dieser umgekehrte Fall für sie ein Fragezeichen sein. Man geht schließlich erstmal davon aus, daß ein Pferd sich bewegen will, oder?! Schaut man allerdings Pferden zu, merkt man schnell, daß sie keineswegs dauernd in Bewegung sind und schon garnicht im Galopp oder Trab. Wenn sie sich schnell bewegen, dann um zu flüchten, anzugreifen, um Überspannung loszuwerden oder um zu spielen.

 
Dem Menschen gegenüber gibt es nun etliche Pferde, die nicht oder kaum mehr flüchten. Sie „halten gegen“ und machen eher zu und sind stoisch. Oft sind dies Arbeits- und Zugpferderassen, oder auch Bergrassen, wie Haflinger, Kaltblüter, oder eben etliche Pferderassen von den britischen Inseln, wie Spuddy. Bei ihnen wäre Weglaufen unerwünscht. Sie bleiben da, - und wollen genaue Anleitung.
Sie kann man also nicht einfach „treiben“. Sie muß man motivieren, eben z.B. mit der Ansteckung für Freude und Spiel. Und dazu weiß ich heute noch etwas ganz wesentliches mehr …


Heute, wo ich diese Geschichte aufschreibe, weiß ich: - Warum hat „Freude“ funktioniert?! Ging es vielleicht noch um ganz etwas anderes? …

Ja, tatsächlich. Und das „Warum“ ist eigentlich so einfach: Freude ist eine Auf- und Abbewegung.
Was mit Spuddy und seinen Kollegen also das ganz Wesentliche war: Die natürliche, balancierte, pferdespezifische Bewegungsweise ist ein Auf- und Abfedern.
Das Auf und Ab ist die richtige Anleitung für pferdespezifische Beweglichkeit.

Und wer sich freut federt. Wer sich freut, macht Luftsprünge. Vor allem deshalb konnte ich die Pferde motivieren, was ja „in Bewegung setzen“ bedeutet. Die Freude war und ist dabei natürlich ein höchst wirksames Hilfsmittel, um der Zähigkeit zu begegnen und sie schmelzen zu lassen wie Schnee in der Sonne.

Damals mit Spuddy hatte ich ganz einfach vor allem die Freude in mir. Ein inneres „Yippiiiiiie“. Ein inneres Auf- und Abfedern. So wie Kinder, die auf dem Schoß sitzen und HoppeHoppeReiter machen wollen. Sie wollen auf und ab federn. *)

 
Hierum geht’s also bei der pferdespezifischen Bewegungsweise, - und so wollen, nicht nur die zähen, Pferde angeleitet werden:

Ein Pferd bewegt sich also durch ein permanentes Auf und Ab:  Es transportiert seinen Körper in einem permanenten Auf- und Abfedern. Der Rücken schwingt dazu leicht mit dieser Auf- und Abbewegung mit. Und auch jedes Bein muß eine Auf- und Ab-Bewegungskurve machen, um sich zu bewegen:
Erst einen Auftakt zum sich-Abdrücken vom Boden, von dort nach oben in Bewegungsrichtung, dann nach unten zurück, und abfedernd balanciert landen, um sich dann wieder nach oben zu vom Boden abzustoßen usw.

Ein Pferd ist dabei in etwa mit einem Hüpfball zu vergleichen. Und ähnlich einem Hüpfball muß man es auch reiten und vom Boden aus anleiten. Entweder auf und ab federnd, ohne vom Boden abzuspringen im Schritt und Tölt, oder eben auf und ab springend im Trab und im Galopp.
Immer das Auf und Ab zulassen. Entsprechend muß der Reitersitz sein: Man muß seinen Körper so organisieren, eben so, als wolle man mit und auf einem Hüpfball federn und hüpfen (können), bzw. diesen federn und hüpfen lassen (können). Nur ein so koordinierter Sitz läßt sichere und balancierte Steuerung des Pferdes und seines Körpers zu. Obwohl man nur federleicht mit dem Pferd verbunden ist und eben nicht schwer einsitzt oder nur „draufsitzt“, fühlt man sich enorm sicher und das Pferd sich ebenfalls.

Eine zentrale Rolle bei dieser sicheren und genauen Koordination spielt die Psoasmuskulatur, also die Hüftgelenksbeuger. Sie ermöglichen sowohl die genaue Bein- und Körperkoordination als auch das federnde Auf und Ab. Bei einem schiebenden oder nur „sitzenden“ Sitz sind diese mehr oder weniger ausgeschaltet. Die Auf- und Abbewegung kann dann nicht sicher begleitet und angeleitet werden, und auch die sonstige Körperkoordination von Pferd und Mensch ist ungenau und oft unsicher.

Jetzt wird klar, warum also Schieben und Drücken nicht funktionieren kann, selbst wenn sich viele Pferde trotzdem dadurch in Bewegung setzen: Sie kippen durch das Schieben oder Drücken in die Vorwärts- oder Seitwärtsbewegung, und um nicht umzufallen gehen sie los. Die einen zäh, die anderen eilig. Je nach Charaktertyp. Aber sie gehen flach, oder vorne zu hoch, die Hinterhand kommt nicht nach, und sie stolpern auch mal. Und die Gangarten sind meist eher gelaufen und bei Gangpferden auch oft nicht ganz sicher und klar, der Schritt selbst bei Dressurpferden oft pass-verschoben.

Die stoischen Pferde verweigern sich diesen unrunden und balancestörenden Bewegungsabläufen: Sie gehen eben gar nicht mehr. Oder am ehesten noch im Gelände und mit anderen Pferden zusammen.

Läßt man sie aber nach oben abfedern zum Losgehen und auch bei jedem Schritt beim Weitergehen, dann kippen sie nicht mehr aus der Balance, sondern können nun in Balance einen (Auf- und Ab-)Schritt nach dem anderen tun. Und so auch jederzeit zum Trab oder Galopp oder Tölt oder fließenden Halt übergehen. Denn mit jedem erneuten, balancierten Abfedern vom Boden hat man die Wahl. Und so kann das Abfedern in einer anderen Gangart erfolgen, und/oder auch in einer anderen Richtung, wodurch Seitengänge plötzlich mühelos werden. Oder auch nach der Landung innegehalten werden in einem gesammelten Halt.

 
Wird aber geschoben, gedrückt oder sich einfach vom Pferd tragen gelassen, dann übt man eine nach unten und/oder nach vorne wirkende Kraft in das Bewegungssystem aus. Und dieses kann sich so nicht (physiologisch richtig) bewegen und balanciert koordinieren.


Zum Auf und Ab der Bewegung mit Beinen, die wir ja mit den Pferden gemeinsam haben, haben wir auch sehr aufschlußreiche Wörter und Begriffe: Auf geht’s, auf auf, hopp hopp, erhebe dich, Auftakt. Sie sind auch bei der Zusammenarbeit mit einem Pferd hilfreich, weil sie sowohl den eigenen Körper (als Anleiter, Hilfesteller und Vorbild), als auch das Pferd, ins Auf und Ab versetzen, statt in ein rein lineares, bewegungsverhinderndes „Vorwärts“, "Seitwärts", oder "Rückwärts".

 
In diesem Sinne also Auf Auf, oder Hopp Hopp 😊



*) Als balancierter (!) Reiter ist man da zwar deutlich subtiler und stellt sich die Federung nahezu nur noch vor, und läßt sie dann beim Pferd zu, aber das Auf und Ab ist der Kern jeder Bewegungsidee, wenn man auf Beinen im Schwerkraftfeld unterwegs ist. Ob als Pferd oder als Mensch.


  

 

 

 

 

 

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