- auf dem Weg vom "verbeulten" Rennbahntraber zum balancierten Reitpferd
Wie so viele Traber, ist auch Orion vom Rennpferd zum Reitpferd geworden. Mitgebracht hat er sich von der Rennbahn eine unsäglich verschobene Haltung und Bewegungsweise ...
Beim Renntrab geht es um einen so flachen Körpertransport durch die Beine wie nur irgend möglich, denn dadurch wird keine Zeit an die Wurfphase des Körpers „verschwendet“. Um die Wurfphase im
Trab, oder auch Galoppsprünge, zu unterbinden, wird der Rücken des Trabers meist durch einen Zwangszügel (den sog. Overcheck) fixiert. Der Rücken kann so nicht mehr auf- und abschwingen und wird
starr. Die Beine können ihre Auf- und Abfederungskraft nicht mehr entfalten. Sie weichen daher seitlich aus. Das Pferd kann sich nur noch mit unnatürlicher, seitlich ausholender Beinbewegung von
hinten nach vorne schleudern.
Diese Körperfixierung und Bewegungsweise wird vom Pferd zunehmend adaptiert („sensomotorische Amnesie“, vgl. Thomas Hanna). Für den Pferdekörper ein Desaster und oft auch für seine Psyche, denn
diese Haltung suggeriert dem Gehirn Ent“Setzen“, sowie massive Einschränkung der überlebenswichtigen flexiblen Mobilität. Es gibt nur noch „Flucht nach vorne“.
Bei dieser Bewegungsweise wird der Schwerpunkt des Pferdes nicht in Stille in seiner Wellenbewegung getragen, sondern mit jedem Schritt oder Trabtritt nach vorne bzw. schief nach vorne-seitlich
geschleudert, in Brust und Vorderbeine hinein. Dadurch ist eine am Schwerpunkt wirkende Steuerung des Pferdekörpers nicht möglich. Für eine ReiterIn bewirkt diese Pferdebewegung ein
unkoordiniertes Herumschlingern auf dem Pferderücken.
All dies erklärt Orions Probleme:
Er kann keine gerade Linie halten und auch keine koordinierten Kurven und Biegungen gehen, geschweige denn, diese traben. Er stolpert über kleinste Unebenheiten und Stangen in der Bahn oder im
Wald. Er weicht ihnen sofort schlingernd aus, da er sie nur mühsam überwinden kann. Galopp steht eher nicht auf dem Programm.
Er fällt und steht extrem auf dem linken Vorderbein, und das rechte Hinterbein dreht extrem in Linksrotation, im Hüftgelenk und vor allem in der Fessel. Sein Hals wird eher hoch getragen mit
Unterhals; der Hals verwindet sich bei Zügelgebrauch wie eine Schlange, da er keine reelle Anbindung an den restlichen Körper hat. In Wendungen driftet sein Körper massiv über die Schultern nach
außen.
Zum Gehen und Traben wirft er seinen Körper von hinten nach vorne weit „über die Vorderbeine drüber“. Er verschiebt diese dabei extrem nach hinten, und muß sie dann doch noch ganz schnell nach
vorne bringen, um den Körper im letzten Moment aufzufangen. Das Körpergewicht wird dabei mit jedem Schritt in die Vorderbeine hineingeschleudert und drückt deren Fesselgelenke durch.
Wie soll man ein solches Pferd wieder in Balance, also "auf den Punkt“ bringen?
Eine Lösung ist dann möglich, wenn man an der Wurzel der Probleme ansetzt. Und folgendermaßen erreichen wir im Unterricht tatsächlich innerhalb kurzem eine signifikante Besserung aller Themen:
Wir leiten Orion dazu an, seinen Körper nicht mehr als erstes nach vorne zu werfen und ihm dann mit den Beinen zu folgen, sondern den Körper ÜBER den Beinen zu befördern. Dies ist die
Grundvoraussetzung für die Federungsfähigkeit der Beingelenke.
Und weil die Beingelenke es nun erlauben, können wir Orion dahingehend anleiten, seinen Körper und Schwerpunkt federnd auf- und ab zu bewegen.
Er erlernt wieder, sich nicht nur im Schritt, sondern auch zum Traben, nach oben vom Boden abzufedern, statt sich nur von hinten nach vorne zu schieben.
Alles dies zunächst vom Boden aus. Denn die Körperhaltung und Bewegungsweise wird leichter beim Führen eingeübt. Überhaupt muß ab jetzt auch beim Führen immer auf Orions balancierte Haltung und
Bewegung geachtet werden. So lernt er am schnellsten, sich allgemein wieder so zu bewegen, wie er sich sicherlich als Jungpferd vor seiner Rennbahnzeit einmal bewegt hat.
Gleiches führen wir dann beim Reiten fort.
Hilfreich ist dabei ein Balancezügel, d.h. ein Seil um die Halsbasis, das zusätzlich zum Zügel benutzt wird (vgl. Linda Tellington). Es setzt genau da an, wohin Orion seinen Körper zuviel nach vorne schieben würde, und man kann ihm damit dabei helfen, ohne Verschiebung des Körpers loszugehen. Denn die Zügel am Kopf wirken im Moment alleine noch zu ungenau durch die instabile Hals- und Brustwirbelsäule. Er wird gebißlos mit einem weichen Nasenriemen geritten, da die Trense ihn immer noch unter Streß setzt. Weil er bei dieser lösenden balancierenden Arbeit immer wieder stark gähnt, (selbst unterm Gehen!), darf der Nasenriemen nicht eng geschnallt sein, damit das Gähnen weitgehend ungehindert möglich ist.
Die Steigbügelriemen dürfen nicht zu lang sein: Orions ReiterIn darf nicht mit ihm mitschlingern müssen, sondern sie muß, wie ein Wellenreiter auf seinem Surfboard, oder wie beim „Reiten“ eines
Hüpfballs, mobil-stabil in ihren Beingelenken und ihrer Wirbelsäulenhaltung sein können. Mobil für die richtige, auf- und abfedernde Balancebewegung, stabil gegen die falsche, zu sehr
horizontal vorwärts schiebende Bewegung.
Sie muß den Körper Orions zur dieser richtigen Bewegung anleiten können. Ihr Körper darf auf keinen Fall schiebend auf den Pferderücken und Pferdekörper einwirken. Weder nach vorne, noch nach unten-vorne oder seitlich.
Dafür braucht sie die ungehinderte Funktion ihrer Psoas-Muskulatur (Hüftbeuger). Und die wird durch kürzere Steigbügelriemen unterstützt in ihrer Überzeugungs- und
Führungskraft.
Schon nach der ersten (!) Unterrichtseinheit kann Orion im Wald gut über Stangen und Unebenheiten gehen. Er stolpert nicht mehr. Auch hält er schon eine gerade Spur den Weg entlang und läßt sich
problemlos von einer Wegseite zur anderen dirigieren. Auch in der Reitbahn sind Kurven und Volten viel leichter zu reiten. Das Driften über die Schulter läßt deutlich nach und auch die Hinterhand
dreht viel weniger. All dies zeigt, daß er seinen Schwerpunkt viel besser balanciert in sich trägt.
Orion kann nun seinen Hals senken und weich gerundet beugen. Seine Wirbelsäule ist also schon viel ausgeglichener. Er trägt sich auch schon etwas mehr im Trab, so daß man sogar Biegungen traben
kann. Die Schiefe ist immer weniger ausgeprägt.
Um seine Trapeziusmuskeln und Schulterblattenden völlig von evtl. drückendem Sattelkontakt zu befreien und zu verhindern, daß er deshalb doch möglicherweise den Rücken hinterm Widerrist
wegdrückt, steigen wir um auf einen Fellsattel mit starker Polsterung. Dies quittiert Orion sofort mit noch mehr Geschmeidigkeit und Gelassenheit.
Wir sind sehr gespannt, wie Orion sich weiter entwickeln wird.